Aufklärungspflichten und Schadenersatz bei Lebens-und Rentenversicherungen
Keine gute Renditeentwicklung
Viele Verbraucher schlossen in den letzten Jahren unzählige Lebens- und Rentenversicherungen ab, in der Hoffnung für sich selbst oder für nahe Angehörige eine gute Altersvorsorge zu haben. Die laufenden Renditeentwicklungen haben jedoch das Gegenteil gezeigt, sodass viele Versicherungsnehmer mittlerweile am Liebsten aus der Versicherung aussteigen würden. Eine Kündigung ist aufgrund des aktuell geringen Rückkaufswerts keine taugliche Option für den Versicherungsnehmer. Jedoch kommt Schadensersatz aufgrund verletzter Aufklärungspflichten und Beratung seitens des Versicherers oder durch die Vermittlungsperson in Betracht.
Verbraucherschützende Rechtsprechung
Der Bundesgerichtshof verfolgt mittlerweile im Rahmen der Aufklärungspflichten gegenüber Anlegern eine anlegerfreundlichere Rechtsprechung und hat Grundsätze zu Beratungs- und Aufklärungspflichten festgelegt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (vgl. Urteil vom 19. März 2015 · Az. 7 U 134/14) präzisierte die Rechtsprechung im Bezug auf eine versprochene Renditeentwicklung seitens des Versicherers gegenüber Versicherungsnehmern wie folgt:
„Spielt der Versicherungszweck nur eine ganz untergeordnete Rolle, dann muss die Versicherung bei Anbahnung eines Vertragsschlusses die Anleger über die für den Anlageentschluss besonders bedeutsamen Umstände verständlich und vollständig informieren. Grund dafür ist, dass es sich dabei um eine Kapitalanlage handelt.“
„Der Umstand, dass die mit der Beklagten abgeschlossenen Verträge Versicherungsverträge sind, rechtfertigt es nicht, von der entsprechenden Anwendung der für Kapitalanlagen geltenden Aufklärungspflichten abzusehen. Der Grund der Aufklärungspflichten und Informationspflichten ist nicht der Charakter des Geschäfts als Versicherungsvertrag oder Kapitalanlage, sondern der Umstand, dass es sich um ein nicht aus sich heraus verständliches Produkt handelt, das der Anleger mit dem Ziel, das eingesetzte Kapital zu vermehren, zeichnet. Informationspflichten werden wegen der Komplexität eines Anlageprodukts und deshalb, weil Lebensversicherer in Konkurrenz mit den Anbietern anderer Kapitalanlagen stehen, in Schrifttum und Rechtsprechung seit längerem auch für Versicherungsverträge bejaht (Schwintowski aaO.; von Stebut, ZIP 1992, 1698, 1702 mwNw; Kieninger NVersZ 1999, 118f.; Römer, VersR 1998, 1313, 1314, 1316; Prölss/Martin-Schneider, VVG, 28. Aufl., Vor § 150 Rdn. 30, 80; BGHZ 147,373).“
Die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts zeigt, dass bei Lebens- und Rentenversicherungen für den Unternehmer über § 6 VVG hinaus, weitere Aufklärungspflichten gegenüber dem Anleger bestehen. Insbesondere muss dem Anleger eine realistische Renditeentwicklung vorgezeigt werden. Auch muss das Unternehmen über die Folgen der vorzeitigen Kündigung einer Lebensversicherung hinweisen (vgl. Bundesgerichtshof – Urteil v. 13.11.2014 III ZR 544/13).
Bei Falschberatung oder Verletzung der Aufklärungspflichten durch Vermittler oder Berater der jeweiligen Versicherungsgesellschaften kann die Versicherungsnehmer den Vertrag rückabwickeln und seine Beiträge zuzüglich einer Nutzungsentschädigung bzw. entgangenem Gewinn verlangen.
Beweislast beim Schadenersatzanspruch:
Ob eine Aufklärung und Beratung stattgefunden hat, lässt sich nur anhand eines Beratungsprotokolls feststellen. Wurde ein solches nicht angefertigt, muss der Versicherungsvermittler darlegen und beweisen, dass er ordnungsgemäß beraten hat. Kann er das nicht, macht er sich schadensersatzpflichtig. Das OLG Saarbrücken hat mit Urteil vom 4.5.2011( Az. 5 U 502/10 – 76) entscheiden, dass „der Versicherungsnehmer dann so zu stellen ist, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde, also so, wie er stünde, wenn der Vermittler ihn ordnungsgemäß beraten, seinen Rat begründet, alles dokumentiert und die Dokumentation übermittelt hätte. Hätte der Versicherungsnehmer dann keinen Versicherungsvertrag abgeschlossen, so ist er so zu stellen wie er ohne Vertragsschluss stände. Da eine Naturalrestitution für den Versicherungsmakler ausscheidet, hat er eine Geldentschädigung zu leisten, muss also jedenfalls in solchen Fällen dem Versicherungsnehmer – wenigstens – die aufgewendeten Prämien ersetzen“ (Reiff in: MünchKomm(VVG), § 63 Rdn. 16 und 17; allgemein: BGH, Urt. v. 21.12.2004 – VI ZR 306/03 – NJW-RR 2005, 611).
Übers Ohr gehauen
Anlegern die sich vom Versicherungsunternehmen oder durch die vermittelnde Person übers Ohr gehauen fühlen sollten diese Rechtsprechung als Beispiel nehmen und nicht den Kopf in den Sand stecken. Vielmehr besteht die Chance die renditearme oder risikoreiche Lebens- oder Rentenversicherung auf vielen Wegen loszuwerden bzw. sich so stellen zu lassen als hätte man nie solch einen Vertrag abgeschlossen. Neben dem Widerruf einer Versicherung ist auch immer ein möglicher Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungspflichten oder Falschberatung möglich.
Die Durchsicht des Vertrages und Beratung durch einen Fachanwalt ist dabei ratsam.